Beweissicherungsverfahren am Bau
Was ist ein Beweissicherungsverfahren?
Ein Beweissicherungsverfahren ist ein gesetzlich festgelegter Prozess, der dazu dient, Mängel und Schäden an Bauwerken zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dokumentieren. Dieses Verfahren umfasst nicht nur Schäden, die während der Bauzeit entstehen, sondern auch solche, die bereits vor Baubeginn vorhanden sind, sei es am Baugrundstück selbst oder an angrenzenden Gebäuden.
Durch die systematische Erfassung dieser Zustände wird sichergestellt, dass spätere Streitigkeiten über Verantwortlichkeiten und Schadensursachen auf einer soliden Beweisgrundlage beruhen.
Arten des Beweissicherungsverfahrens
Beim Beweissicherungsverfahren unterscheidet man zwischen verschiedenen Ansätzen, die je nach Situation angewendet werden können:Art des Verfahrens | Beschreibung |
---|---|
Beweissicherung vor Baubeginn | Dokumentation des aktuellen Zustands des Baugeländes, um spätere Veränderungen nachvollziehen zu können. |
Private Beweissicherung | Ein privat beauftragter Sachverständiger dokumentiert Beweise, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. |
Selbstständiges Beweisverfahren | Gerichtliches Gutachten zur Klärung von Beweisen im Rahmen eines Gerichtsprozesses. |
Warum ist Beweissicherung am Bau wichtig?
Während der Bauarbeiten können Mängel oder Schäden häufig nur als Momentaufnahmen betrachtet werden. Ohne eine ordnungsgemäße Beweissicherung besteht die Gefahr, dass Beweise durch fortlaufende Bauarbeiten vernichtet oder verdeckt werden. Dies erschwert die Klärung der Verantwortlichkeiten und kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Ein gut durchgeführtes Beweissicherungsverfahren bietet dabei mehrere wesentliche Vorteile. Es verhindert den Verlust von Beweisen durch schnelles Handeln, klärt eindeutig die Verantwortlichkeiten der beteiligten Gewerke und ermöglicht eine effektive Kostenkontrolle. Frühzeitige Feststellungen von Mängeln können teure Nachbesserungen und umfangreiche Korrekturmaßnahmen in späteren Projektphasen vermeiden.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies: Wenn die Verlegung einer Fußbodenheizung mangelhaft ist und das Beweissicherungsverfahren rechtzeitig durchgeführt wird, können die Mängel dokumentiert und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wird die Mängel nicht rechtzeitig erfasst und weiterverlegt, könnten die ursprünglichen Fehler nicht mehr nachgewiesen werden, was zu erheblichen Kosten führen kann.
Zusatz-Vorteil: Die frühzeitige Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens kann kostspielige Rechtsstreitigkeiten erheblich reduzieren.
Gesetzliche Vorgaben zur Beweissicherung
Nach der VOB Teil B § 3 Absatz 4 ist die Beweissicherung vor Baubeginn vorgeschrieben. Diese Vorschrift verlangt die Dokumentation des Zustands von Straßen, Geländeoberflächen, Vorflutern, Vorflutleitungen und baulichen Anlagen im Baubereich. Ein korrekt durchgeführtes Beweissicherungsverfahren entspricht somit den rechtlichen Anforderungen und schafft eine solide Basis für eventuelle spätere Auseinandersetzungen.
- Zitat aus der VOB:
„(4) Vor Beginn der Arbeiten ist, soweit notwendig, der Zustand der Straßen und Geländeoberfläche, der Vorfluter und Vorflutleitungen, ferner der baulichen Anlagen im Baubereich in einer Niederschrift festzuhalten, die vom Auftraggeber und Auftragnehmer anzuerkennen ist.“
Wie läuft ein Beweissicherungsverfahren ab?
Das selbstständige Beweissicherungsverfahren muss beim zuständigen Gericht beantragt werden und kann grundsätzlich von allen am Bau beteiligten Parteien eingeleitet werden. Gemäß § 485 Absatz 1 bis 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind bestimmte Bedingungen zu erfüllen, damit eine Beantragung erfolgreich ist. Diese Bedingungen umfassen die Zustimmung der gegnerischen Partei, die Besorgnis, dass das Beweismittel verloren gehen könnte, sowie ein rechtliches Interesse am Zustand, der Ursache oder den Kosten der Beseitigung von Mängeln, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Das Hauptziel des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens besteht darin, ein Gerichtsverfahren entweder vollständig zu vermeiden oder dessen Dauer und Kosten so gering wie möglich zu halten.
Der Ablauf eines solchen Verfahrens folgt einem klar strukturierten Prozess, der sicherstellt, dass alle relevanten Aspekte gründlich dokumentiert und bewertet werden.
Schritt | Beschreibung |
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1. Antragstellung | Einreichung des Antrags beim zuständigen Gericht. Angaben zur gegnerischen Partei, Beweisgegenständen und relevanten Zeugen oder Beweismitteln sind erforderlich. |
2. Gerichtliche Prüfung | Das Gericht prüft den Antrag und entscheidet über dessen Bewilligung. |
3. Bestellung eines Sachverständigen | Das Gericht bestellt einen qualifizierten Sachverständigen, der die Beweissicherung durchführt. |
4. Ortstermin | Begutachtung des Bauzustands vor Ort in Anwesenheit beider Parteien. |
5. Erstellung des Gutachtens | Der Sachverständige dokumentiert Zustand, Ursachen der Mängel, Maßnahmen zur Beseitigung und Kostenschätzung. |
6. Stellungnahme und Ergänzungen | Beide Parteien können Stellungnahmen abgeben. Ergänzende Gutachten können angefordert werden, falls erforderlich. |
7. Gerichtliche Entscheidung | Das Gericht entscheidet, ob das Gutachten ausreicht oder weitere Maßnahmen erforderlich sind. |
Wie lange dauert ein selbstständiges Beweisverfahren?
Das selbstständige Beweisverfahren dient in erster Linie dazu, ein Gerichtsverfahren zu beschleunigen, das ohne dieses Verfahren üblicherweise mehrere Jahre dauern würde. In der Regel dauert ein Beweisverfahren jedoch einige Monate, vorausgesetzt, das Gutachten wird fachkundig erstellt und alle beteiligten Parteien kooperieren konstruktiv.
Sollten hingegen Unstimmigkeiten auftreten oder die Parteien nicht kooperativ sein, kann sich die Verfahrensdauer erheblich verlängern und sogar über ein Jahr hinausgehen. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, dass alle Beteiligten frühzeitig und aktiv miteinander kommunizieren, um eine effiziente und kostengünstige Lösung zu finden.
Eine proaktive Zusammenarbeit aller Parteien kann nicht nur die Dauer des Verfahrens verkürzen, sondern auch die Kosten senken und die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Lösung erhöhen. Daher ist es empfehlenswert, als Planer oder Bauherr frühzeitig den Dialog mit allen Beteiligten zu suchen und eine offene Kommunikation zu fördern, um den Ablauf des Beweissicherungsverfahrens so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren dauert in der Regel einige Monate, kann sich jedoch bei mangelnder Kooperation der Parteien auf über ein Jahr verlängern.
Was kostet ein Beweissicherungsverfahren?
Sobald ein Gericht zur prozessualen Klärung eines Sachverhalts eingeschaltet wird, fallen normalerweise hohe Kosten an. Daher ist es wichtig, die Kosten eines Beweisverfahrens mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung zu untersuchen, um abzuwägen, ob sich Letzteres lohnt.
Für die nach VOB/B § 3 VOB Gewährleistung obligatorische Beweissicherung vor Baubeginn werden bei der Beauftragung eines Gutachterbüros die Kosten im Allgemeinen nach dem gewünschten Umfang berechnet. Bei einem Einfamilienhaus fallen für den vorgeschriebenen Mindestumfang einer Außenbesichtigung etwa 400 bis 500 Euro an. Eine vollständige Außen- und Innendokumentation kann hingegen Kosten zwischen 2000 und 3000 Euro verursachen.
Ähnlich verhält es sich mit den Kosten für ein privates Beweisverfahren während der Bauphase durch einen Sachverständigen. Hier richten sich die Kosten für ein Gutachten im Allgemeinen nach dem zeitlichen Aufwand. Der Netto-Stundensatz für einen Bausachverständigen liegt bei etwa 70 bis 250 Euro. Faktoren wie die jeweilige Region, das Fachgebiet oder die Komplexität des Einzelfalles können diese Kostenspanne beeinflussen. Der Stundensatz umfasst in der Regel alle Leistungen, während Fahrtkosten und die Ausfertigung der Dokumentation gesondert berechnet werden können. In manchen Fällen wird auch ein Pauschalpreis für das Gutachten vereinbart.
- Schließlich gibt es die Kosten für ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren, das gerichtlich beantragt wird
In diesem Fall ist die Vergütung gesetzlich festgelegt und richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Der aktuelle Stundensatz, zuletzt festgelegt im Jahr 2021, beträgt für Bausachverständige 105 Euro netto. Für Sachverständige im Bereich GaLa und andere Ingenieurleistungen gelten abweichende Vergütungssätze.
Das heißt: ein Beweissicherungsverfahren wird in der Regel einige tausend Euro kosten. Diese Summe ist jedoch im Vergleich zu den Kosten eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, abgesehen vom deutlich niedrigeren Zeitaufwand, sehr gering. Vor der Entscheidung ist es jedoch nie klar, welche Seite letztlich die Kosten tragen muss. Daher sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, mithilfe eines privaten oder selbstständigen Beweisverfahrens eine außergerichtliche Einigung anzustreben.
Welche Kosten fallen an?
Die Kosten eines Beweissicherungsverfahrens teilen sich je nach Art des Verfahrens in verschiedene Positionen auf. Bei der privaten Beweissicherung vor Baubeginn oder während des Bauablaufs fallen folgende Kosten an:Kostenposition | Beschreibung |
---|---|
Honorar des Bausachverständigen | Abrechnung nach Zeitaufwand, in der Regel pro Stunde. |
Fahrtkosten und Spesen | Kosten für die Anfahrt zum Baugelände, abhängig von der Entfernung. |
Kosten für die Ausfertigung des Gutachtens | Berechnung meist pro Seite des Gutachtens. |
Alternative: Pauschalpreis | In einigen Fällen wird ein Pauschalpreis für das gesamte Gutachten vereinbart. |
Im Gegensatz dazu beinhalten das Beweissicherungsverfahren gemäß § 485 Absatz 1 sowie das selbstständige Beweisverfahren im Sinne von § 485 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) deutlich höhere Kostennoten, die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) definiert sind. Beide Verfahren sind verfahrensrechtlich eigenständig.
Sollte es dennoch zu einem Gerichtsprozess kommen, werden die Gebühren als selbstständige Angelegenheit betrachtet, die laut § 19 RVG nicht zum weiteren Rechtszug gehören. Das bedeutet, dass im Hauptverfahren zusätzliche, gesonderte Gebühren anfallen können.
Für das reine Beweisverfahren fallen folgende Gebühren an:
- Auslagenvorschuss auf die Gerichtskosten für die Beweiserhebung.
- Honorar des Bausachverständigen nach JVEG pro Stunde.
- Kosten für die Ausfertigung des Gutachtens.
- Fahrtkosten und Spesen.
Zusätzlich kommen bei der Einschaltung eines Rechtsanwaltes folgende Kosten hinzu:
Verfahrensgebühr: Der Rechtsanwalt berechnet die 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100.
Terminsgebühr: Eine einmalige Gebühr nach RVG VV Nr. 3104 für einen vom Gericht oder Sachverständigen anberaumten Ortstermin bzw. von Dritten anberaumten Termin zur Vermeidung oder Beendigung eines nachfolgenden Rechtsstreits.
Einigungsgebühr: Für die Mitwirkung an einer Einigung steht dem Rechtsanwalt nach RVG VV Nr. 1000 die 1,5 Verfahrensgebühr zu.
Die Anrechnung der Verfahrensgebühr erfolgt in dem Moment, in dem es nach dem selbstständigen Beweisverfahren zu einem Hauptsacheverfahren kommt. Die ursprüngliche Verfahrensgebühr wird dann auf Grundlage des Hauptsacheverfahrens berechnet.
Wer trägt die Kosten?
Das selbstständige Beweisverfahren verursacht Kosten seitens der Gerichtsverwaltung und des Gutachters, die zusammen mit eventuellen Anwaltsgebühren schnell vier- bis fünfstellige Beträge erreichen können. Die Frage, wer letztlich für diese Kosten aufkommt, ist von entscheidender Bedeutung und lässt sich im Vorhinein nicht sicher beantworten. Das Gericht entscheidet erst im Verlauf des Beweisverfahrens darüber. Kommt es im Beweisverfahren zu keiner Einigung, wird die Kostenfrage, wie bei anderen Gerichtsprozessen, erst im gerichtlichen Hauptverfahren entschieden.
Generell gilt: In jedem Fall sind alle Kosten, einschließlich der der Gegenseite, von der beauftragenden Partei zu tragen, wenn diese nach Abschluss des Verfahrens auf eine Klage verzichtet, den Antrag zurücknimmt oder der Antrag vom Gericht abgelehnt wird. Kommt es nach Beantragung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Klage, trifft das Gericht im Hauptverfahren die Entscheidung, welche Partei die Kosten zu tragen hat.
Zusatz-Vorteil: Wer als bemängelnde Partei dieses Risiko nicht tragen möchte, kann auf das private Beweissicherungsverfahren ausweichen. Hierbei sind die Gesamtkosten im Allgemeinen im Vorhinein absehbar, der Stundenaufwand des Sachverständigen ist abschätzbar, und in manchen Fällen wird auch ein Pauschalpreis vereinbart.
Ein privates Beweissicherungsverfahren bietet den Vorteil, dass die Gesamtkosten im Vorhinein besser kalkulierbar sind. Der Stundenaufwand des Sachverständigen lässt sich abschätzen, und in vielen Fällen kann auch ein Pauschalpreis für das Gutachten vereinbart werden. Obwohl das erstellte Gutachten nicht die gleiche Beweiskraft vor Gericht besitzt wie bei einem selbstständigen Beweisverfahren, werden die Ergebnisse dennoch in vielen Fällen berücksichtigt, wenn es zur Anfechtung und einem folgenden Gerichtsprozess kommt.
Dies bedeutet, dass trotz der geringeren formalen Anerkennung die Dokumentation und Bewertung durch einen privaten Sachverständigen eine wertvolle Grundlage für spätere Auseinandersetzungen bietet. Insbesondere in Fällen, in denen eine außergerichtliche Einigung angestrebt wird, kann ein gut erstelltes Gutachten den Entscheidungsprozess erheblich erleichtern und zur schnellen Lösung des Konflikts beitragen.
Die Kosten für ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren können schnell vier- bis fünfstellige Beträge erreichen, während ein privates Verfahren eine kosteneffiziente und besser kalkulierbare Alternative darstellt.
FAQs zum Beweissicherungsverfahren
Die Kosten für ein Beweissicherungsverfahren werden in der Regel von der beauftragenden Partei getragen. Sollte es zu einem Gerichtsprozess kommen, entscheidet das Gericht, welche Partei die Kosten übernimmt.
Ein Beweissicherungsverfahren endet mit der Erstellung und Vorlage des Gutachtens beim Gericht. Danach entscheidet das Gericht über die Anerkennung des Gutachtens und die weiteren Schritte im Hauptverfahren.
Nach dem Abschluss des Beweissicherungsverfahrens erfolgt entweder eine außergerichtliche Einigung basierend auf den Gutachten oder der Fall wird in ein Hauptverfahren überführt, in dem das Gericht eine endgültige Entscheidung trifft.
Beweissicherungsverfahren werden von qualifizierten Sachverständigen durchgeführt, die entweder privat beauftragt oder vom Gericht bestellt werden. Diese Experten dokumentieren den Bauzustand und erstellen Gutachten.
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Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität. Eine Rechtsberatung wird nicht angeboten. Den offiziellen Gesetzestext sowie weitere Paragrafen finden Sie in den entsprechenden Rechtsdokumenten. Bei rechtlichen Fragen oder Unsicherheiten konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Rechtsanwalt.